Charles Dickens Weihnachtsgeschichte »A christmas carol« ist weltbekannt. Es gibt unzählige Buchfassungen, Verfilmungen. Auch das Musical »Vom Geist der Weihnacht« ist ein Kassenschlager. Umso faszinierter war ich, als ich diese Weihnachtsgeschichte bei meiner diesjährigen Logen-Weihnachtsfeier mit ganz neuen Augen sehen, äh… Ohren hören durfte.
Charles Dickens Weihnachtsgeschichte
Die Story noch mal kurz zusammengefasst: Der geizige Geschäftsmann Ebenezer Scrooge hat kurz vor Heilgabend mehrere »Erscheinungen«, bis ihm endlich ein Licht aufgeht:
Der »Geist der vergangenen Weihnacht« entführt Scrooge in die eigene Vergangenheit und führt ihm so vor Augen, an welchen Punkten seines Lebens er Entscheidungen getroffen hat, die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist: Ein armer reicher Mann.
Der »Geist der gegenwärtigen Weihnacht« zeigt Scrooge, was sich gerade in seinem nächsten Umfeld abspielt, während er nur mit sich selbst beschäftigt ist: Große Not, aber auch »Glück im Kleinen«.
Und aufbauend auf dieser Vorarbeit der beiden vorangegangenen Geister öffnet Scrooge der »Geist der zukünftigen Weihnacht« endgültig die Augen: Er führt Scrooge auf einen Friedhof, an ein Grab – an sein Grab! Vor dem eigenen Grabstein stehend, die Endlichkeit des eigenen Lebens vor Augen, fällt es Scrooge plötzlich wie Schuppen von denselben. So wird das vorgeführte Lebensende zur Lebenswende. Spät, aber nicht zu spät.
Scrooge gelobt Besserung, dreht sich um 180 Grad und wird nicht nur ein besserer, sondern dadurch auch ein glücklicherer Mensch.
Dickens Weihnachtsgeschichte eine Freimaurer-Geschichte?
Ich habe Dickens Weihnachtsgeschichte zigmal gesehen, gehört und vorgelesen. Aber beim Zuhören im Logenumfeld dämmert mir plötzlich etwas, was mir vorher nie aufgefallen war: Ist Charles Dickens weltberühmte Weihnachtsgeschichte »A christmas carol« etwa eine Freimaurer-Geschichte?
Es sind drei »gute« Geister, die Scrooge stufenweise wichtige Erkenntnisse vermitteln und ihm helfen, in sich zu schauen, um sich zu schauen und über sich zu schauen. Also exakt das und in der Reihenfolge, wie’s das Freimaurer-Ritual über drei Grade macht. Und ebenfalls gipfelnd in der [Vorsicht Spoiler!] symbolischen Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit.
Dazu fallen mir in der Geschichte plötzlich Zitate und Formulierungen auf, die sogar direkt dem freimaurerischen Ritual entnommen scheinen: »Rechtwinklig handeln«, »den Menschen auf gleicher Ebene begegnen«, »kehr’ niemals der Not und dem Elend den Rücken«, »Licht der Erkenntnis« etc.
Und am Ende überrascht es mich auch nicht mehr, als der Vortragende verrät: Charles Dickens war Freimaurer!
War Charles Dickens Freimaurer?
Zurück zu Hause muss ich gleich googeln. Berufskrankheit. ;)
Ich finde tatsächlich zunächst viele Seiten, die Charles Dickens als Freimaurer listen. Aber die Seiten, die ich für gut recherchiert halte, listen ihn unter »vermutlich kein Freimaurer« auf. Hm.
Wie aber steht’s mit den Freimaurer-Zitaten aus Dickens Weihnachtsgeschichte?
Im Netz finde ich unzählige Fassungen des Textes. Auch die, die vermutlich die ursprüngliche ist.
Ich suche darin nach den englischen Entsprechungen der typischen Freimaurer-Formulierungen, die ich eben auf Deutsch gehört habe – »Licht der Erkenntnis«, »auf gleicher Ebene«, »rechtwinklig handeln«?! Fehlanzeige! Leider auch in der deutschen Übersetzung des Originaltextes.
Dickens Weihnachtsgeschichte doch keine Freimaurer-Geschichte?
Wie die Freimaurer-Zitate in die Übersetzung gekommen sind, die ich beim Logen-Abend zu hören bekommen hatte, bleibt ein Rätsel. Aber dann dämmert mir plötzlich eine andere Erkenntnis:
Spielt es eigentlich überhaupt eine Rolle, ob Charles Dickens Freimaurer war? So oder so: Seine Weihnachtsgeschichte ist Freimaurerei in Reinform!
Höchste Zeit also für eine eigentlich viel wichtigere, viel freimaurerischere Frage – ganz im Geiste Dickens und kurz vor Weihnachten:
Wie viel »Scrooge« steckt eigentlich in mir?
Frohe Weihachten!