Doityourself-Sargbau-Seminare: Freimaurerei light?

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Zentrales Element der Freimaurerei ist im dritten Grad die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Sich daran zu erinnern, dass das Leben nunmal endlich ist, man aber nie genau weiß, wann es endet, kann zu einem bewussteren Leben führen. Zahlreiche Symbole der Freimaurerei erinnern daran – vom 24-zölligen Maßstab bis zum Totenkopf.

Ein älterer Bruder hat mal passenderweise zu mir gesagt:

»Freimaurerei ist Lieben, Leben und Sterben lernen. Erst arbeitest du am rauen Stein [womit die eigene Persönlichkeit mit Macken, Ecken und Kanten sowie die Selbsterkenntnis im ersten Grad gemeint ist], dann am Meilenstein [womit er die Aufforderung des zweiten Grades meinte, um sich zu schauen und viel zu reisen] und dann am eigenen Grabstein [womit er die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit im Meistergrad meinte].«

Eine evangelische Gemeinde aus Bayern scheint nun fast diesem handwerklichen Ansatz der Freimaurerei bei der vorgezogenen Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit zu folgen. Zwar nicht mit Workshops für die Arbeit am eigenen Grabstein. Aber: mit Do-it-yourself-Sargbau-Seminaren! Um dem Tod den Schrecken zu nehmen. Für viele sei das eigene Ableben nämlich noch nicht eingeplant, heißt es in dem Sat.1-Beitrag.

»Männer zeigen keine Trauer und ein Indianer kennt keinen Schmerz. Das sind so die Sprüche, mit denen Jungs aufwachsen. Und darum tun sich Männer auch besonders schwer, sich über Krankheiten, über Einschränkungen oder eben auch das eigene Lebensende zu unterhalten.«

So begründet der Pfarrer das ungewöhnliche Angebot seiner Gemeinde. Und ein Teilnehmer, der sich demnächst einer schweren Operation unterziehen muss, bestätigt:

»Wenn ich mich vorher schon damit beschäftige, trifft’s mich nicht aus dem Vollen.«

Hier geht’s zum ganzen Video.

»Wozu also sich ängstigen – und vor was?« Karlheinz Böhm (†), die Freimaurerei, das Leben und der Tod

Karlheinz Böhm – Mein Weg

Erst Anfang der Woche hatte ich mir Karlheinz Böhms vergriffene Biographie »Mein Weg« organisiert, als Grundlage für ein Portrait in meinem kommendem Buch. Beim Durchblättern ist mir direkt der Epilog »Über die Angst, das Altwerden und den Tod« ins Auge gesprungen. Wie für einen Freimaurer spätestens ab dem dritten Grad üblich, hatte sich also auch Karlheinz Böhm schon früh mit der eigenen Endlichkeit auseinandergesetzt. Seine Biographie ist von 1991. Da war er also auch statistisch gesehen noch weit vom eigenen Ende entfernt.

Vor allem, schreibt Karlheinz in »Mein Weg«, habe ihn bei der Haltung zum Tod schon früh ein Brief von Mozart an dessen Vater (ebenfalls beide Freimaurer) beeindruckt. In diesem Brief schrieb Mozart:

»(…) da der Tod (genau zu nehmen) der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes. (…) Ich lege mich nie zu Bette ohne zu bedenken, dass ich vielleicht den andern Tag nicht mehr sein werde – und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, dass ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre (…)«

Diesen roten Faden spinnt Karlheinz Böhm in seiner Biographie weiter:

»In der Oper ›Entführung aus dem Serail‹ lässt Mozart zwei Menschen, die sich lieben, mit der Frage des Todes ringen. Da sagt eine Frau den wunderbaren Satz: ›Was ist denn der Tod? Ein Übergang zur Ruhe‹ – eine Definition, die mich immer sehr berührt hat. Ob es nun das Zitat aus der ›Entführung‹ ist oder dieser Brief (…) es gibt nichts, mit dem ich mehr identifizieren kann (…). Wir Menschen sind Teil der Natur und als solcher in unserer Lebenszeit begrenzt. So ist meine Beziehung zum Tod auch sehr stark durch mein Verständnis für und meine tiefe Liebe zur Natur geprägt. Für mich ist all das, was Gott und was Tod ist, in der Natur wiederzufinden. Das ist kein Geheimnis, sondern alles begreifbar. (…) Möglicherweise ist diese Verbundenheit mit der Natur eine Erklärung für die fehlende Angst vor dem Tod. Denn in der Natur sieht man ja, wie alles stirbt und alles wieder aufblüht und wächst. Wir selbst erleben dieses Wunder in einem kleinen Kind, das von Menschen gezeugt wurde, das geboren wird und aufwächst, das größer und älter wird, schließlich weißhaarig und dann stirbt und verlöscht. Wozu also sich ängstigen – und vor was?«

Karlheinz Böhm, am 16. März 1928 in Darmstadt geboren, verstarb vorgestern weißhaarig im hohen Alter von 86 Jahren. Nach einer verlorenen Wette bei »Wetten, dass…?!« hatte er Anfang der 80er eine vielversprechende Schauspielkarriere an den Nagel gehängt, um sich für notleidende Menschen in Afrika zu engagieren. Er sammelte Millionen, baute damit mehr als 300 Schulen, dutzende Krankenstationen und hunderte Wasserstellen. Er war das, was für mich ein Freimaurer sein sollte – und Bruder der Loge »Zur Kette« in München.