Oder: Warum ein schlechter Ruf nicht nur ein gro\u00dfer Fluch, sondern manchmal vielleicht auch ein kleiner Segen sein kann!<\/strong> Zum kommenden 275. Geburtstag der deutschen Freimaurerei hat sich auf Initiative von Knut Terjung<\/a> \u00bbSch\u00fcmanns Hamburger\u00ab die Freimaurerei ‚vorgenommen‘. Immerhin hatte hierzulande seinerzeit alles in der Elbmetropole mit der \u00bbLoge d‘ Hamburg\u00ab (heute: \u00bbAbsalom zu den drei Nesseln\u00ab) begonnen. Gl\u00fccklicherweise beschr\u00e4nkt sich das Hamburger Hochglanz-Stadtmagazin aber nicht auf Geschichte, sondern liefert vor allem lesenswerte Portraits heutiger Br\u00fcder: Vom Anglistik-Professor mit James Bond-Faible, \u00fcber einen ‚Banker‘, der zugleich der erste Gr\u00fcnen-Abgeordnete seiner Wahlheimat wurde, einen l\u00e4ngst gestandenen Freimaurer-Meister, bei dem der freimaurerische Grundstein „auf’m Bau“ w\u00e4hrend seiner Zeit als Fliesenleger gelegt wurde, bis zum jungen Informatiker aus Bolivien, den schon in einer freimaurerisch-inspirierten Jugendorganisation \u00fcberzeugte, wie dort \u00bbdie Streber und die Coolen\u00ab seiner Schule pl\u00f6tzlich miteinander harmonierten. Ebenfalls erfreulich erfrischend: Auch Freimaurerinnen kommen zu Wort. Die Br\u00fcder und Schwestern blicken zudem durchaus mit Selbstironie und Selbstkritik auf ihre vielleicht etwas in die Jahre gekommene Freimaurerei: So bemerkt bspw. Bernd Brauer, Distriktmeister der Gro\u00dfloge AFAM, euphemistisch: \u00bbBei vielen Menschen finden im hohen Alter auch wieder Reduzierungen statt. Daraus resultiert, dass ein Kreis \u00c4lterer m\u00f6glicherweise eine gewisse Abwehrhaltung gegen\u00fcber jungen Themen entwickelt.\u00ab \u00c4hnlich \u00e4u\u00dfert sich auch R\u00fcdiger Templin, derzeit h\u00f6chster Repr\u00e4sentant der deutschen Freimaurerei: \u00bbDie \u00dcberalterung einiger Logen ist eine erhebliche Bremse. (…) Wir werden junge Menschen nicht dazu bewegen, einem Senioren-Club beizutreten.\u00ab Und deshalb meint wohl auch Provinzialmeister Bernhard M\u00f6ller: \u00bbEs m\u00fcssen auch mal die jungen ran.\u00ab Lesenwert ist aus meiner Sicht aber vor allem, wie die portraitierten Br\u00fcder selbst zur Freimaurerei gekommen sind. Den aktuellen Gro\u00dfmeister lockte zum Beispiel als junger Mann der ’schlechte Ruf‘, den ein Buch den Freimauren andichtete:<\/p>\n \u00bbWenn ein Lexikon, gedruckt zu Zeiten der Nazi-Herrschaft, ein Thema 30 Seiten lang von allen Seiten diffamiert und ver\u00e4chtlich macht, dann muss an dem Thema was dran sein.\u00ab<\/p><\/blockquote>\n beschreibt \u00bbSch\u00fcmanns\u00ab R\u00fcdiger Templins damaligen Gedankengang. Bei einem anderen Bruder, Anglistik-Professor Bruno Schultze, half gewisserma\u00dfen \u00bbJames Bond\u00ab bzw. eine Zufallsbekanntschaft im Krankenhaus:<\/p>\n \u00bbWer den gesamten Ian Fleming gelesen hat, ist mit Sicherheit kein langweiliger Gespr\u00e4chspartner \u2013\u00a0das stellte auch jener Brite in dem Hamburger Krankenhaus fest (…) die beiden M\u00e4nner blieben in Kontakt, sprachen \u00fcber Familie, Literatur… Nach drei Jahren schlie\u00dflich fragte der Brite Schultze, was dieser von der Freimaurerei hielte…\u00ab<\/p><\/blockquote>\n Bei Harald Hartkopf legte man im wahrsten Sinne des Wortes ‚auf’m Bau‘ den Grundstein daf\u00fcr, dass aus dem Fliesenleger-Meister sp\u00e4ter ein Freimaurer-Meister wurde \u2013 auch wenn’s letztlich vom Erstkontakt bis zum Logenbeitritt ziemlich lange gedauert hat:<\/p>\n \u00bbDer Bauherr hatte den Fliesenleger beobachtet, dessen ruhiges Wesen und seinen respektvollen Umgang mit Gesellen und Lehrling und fragte ihn schlie\u00dflich, was er von der Freimaurerei hielte. Hartkopf zeigte vorsichtiges Interesse. Er begann sich zu erkundigen, sprach mit Freunden \u00fcber das Thema. „Einer riss gleich die H\u00e4nde hoch“, erz\u00e4hlt er. „Blo\u00df nicht! Da kommst Du nie wieder raus!“ Ein anderer meinte: „Oh ja! Mit denen machst Du gute Gesch\u00e4fte.“ Hartkopf aber wollte weder in eine Sekte eintreten, noch in einen Kl\u00fcngel und so ging er zu G\u00e4steabenden der Freimaurer und sammelte, bewaffnet mit Skepsis, weitere Eindr\u00fccke. Einmal war er bereit, aber dann brach der Skandal um die italienische Loge P2 los, eine Freimaurer-Loge, die zur Tarnung einer politischen Organisation diente, und Hartkopf sch\u00fcttelte erneut den Kopf. Es brauchte weitere Kontakte zu Freimaurern und geschlagene zehn Jahre Bedenkzeit, bis Hartkopf 1989 seinen Bauherrn besuchte und sagte: „Jetzt bin ich bereit.“ (…) Die br\u00fcderliche Gleichheit hat Hartkopf letztlich \u00fcberzeugt: „Ich war immer kritisch. Aber ich habe wunderbare, ordentliche Menschen kennengelernt, denen man vertrauen kann.“\u00ab<\/p><\/blockquote>\n Interessant ist auch die ungew\u00f6hnliche Geschichte des heute in Hamburg lebenden Bolivianers Jorge:<\/p>\n \u00bbZwei Generationen sp\u00e4ter pochte Onkel Jorges auf die famili\u00e4re Tradition und schickte ihn mit 15 zum von Freimaurern gegr\u00fcndeten De Molay Orden. Hier lernte der Junge Gleichaltrige kennen, dies aber unter anderen Bedinungen, als auf dem Schulhof. „Es gab dort nicht mehr diesen st\u00e4ndigen Konkurrenzkampf“, erinnert sich Jorge heute. „Die Streber haben sich mit den Coolen in einem Raum als Br\u00fcder versammelt. Das hat mich beeindruckt und auch die Werte, die dort vertreten wurde: Das Gute im Menschen zu bilden und der Wille, in der Gesellschaft etwas zu bewirken.“\u00ab<\/p><\/blockquote>\n In Deutschland schloss sich der junge Mann dann einer richtigen Loge an:<\/p>\n \u00bb“Sie haben mich mit offenen Armen empfangen“, erinnert sich Jorge.\u00ab<\/p><\/blockquote>\n Ebenfalls aus meiner Sicht hervorhebenswert: Was die \u00e4lteren portraitierten Br\u00fcder heute noch an der Freimaurerei fasziniert.<\/p>\n \u00bbVielleicht sind es einfach Wahrheiten, die auf symbolische Weise ausgedr\u00fcckt werden und das ber\u00fchrt einen Mann, der auf der Suche nach Erkl\u00e4rung ist.\u00ab<\/p><\/blockquote>\n wird Distriktmeister Bernd Brauer vom \u00bbSch\u00fcmanns\u00ab zitiert. Christian Polscher, Jahrgang 1945, nutzte die Loge als ‚Batterie‘:<\/p>\n \u00bbIch war berufst\u00e4tig, verlie\u00df um sechs Uhr morgens das Haus, flog nach Stuttgart oder Frankfurt, kam erst gegen 11 Uhr nachts wieder zur\u00fcck. Ich habe Vortr\u00e4ge gehalten, Kongresse besucht, Arbeitsgruppen geleitet… Die Loge hat mich aufgeladen, mir aber auch erm\u00f6glicht, mich geistig in anderen Bereichen zu bewegen.\u00ab<\/p><\/blockquote>\n Und auch R\u00fcdiger Templin, derzeit ja zu eigenem Bedauern als Gro\u00dfmeister vor allem mit der Amtsf\u00fchrung ausgelastet, scheint \u00e4hnlich wie Polscher zu empfinden:<\/p>\n \u00bbIch vermisse die Arbeit in der Loge. Das Meditieren, diese Ruhe…\u00ab<\/p><\/blockquote>\n Fazit: Die Sch\u00fcmanns-Ausgabe ist definitiv lesenswert, da das Magazin eine gelungene Bandbreite von Br\u00fcdern aller Couleur zeigt, die mit ihren unterschiedlichen Meinungen \u2013 auch \u00fcber die Freimaurerei – zeigen, dass Freimaurerei tats\u00e4chlich jene vielbeschworene Einheit in Vielfalt sein kann, die vor allem durch intensives \u00dcben von Toleranz zusammengehalten wird. Mehr Infos und Bestellung \u00fcber den KSV Verlag<\/a>.<\/p>\n