\u00dcber das Spannungsverh\u00e4ltnis zwischen katholischer Kirche und Freimaurerei ist in den letzten drei Jahrhunderten viel publiziert und spekuliert worden. Die explizite Erw\u00e4hnung der Freimaurerei ist aus dem sog. Codex Iuris Canonici zwar inzwischen gestrichen \u2013 das hei\u00dft aber nicht, dass damit nun auch automatisch aus Sicht der katholischen Kirche Freimaurerei und Katholizismus problemlos vereinbar w\u00e4ren. Die Sache ist komplizierter. Deshalb hat nun der M\u00fcnchner Theologe Richard Mathieu (Studienschwerpunkt Kirchenrecht, Jahrgang ’88, wissenschaftlicher Mitarbeiter der LMU M\u00fcnchen im Bereich der theologischen Ethik) im Salier Verlag eine sachliche Aufarbeitung der Thematik publiziert: \u00bbFreimaurerei und katholische Kirche: Geschichte und kirchenrechtliche Einordnung eines 300-j\u00e4hrigen Streits\u00ab. F\u00fcr mein Blog habe ich den Autor interviewen k\u00f6nnen:<\/p>\n

Richard, zur Klarstellung eine Frage vorab: Es handelt sich ausschlie\u00dflich um ein Problem der katholischen Kirche mit der Freimaurerei und nicht um ein Problem der Freimaurerei mit der katholischen Kirche oder ein Problem der evangelischen Kirche mit der Freimaurerei?!<\/p>\n

So ist es. Jedenfalls sind m\u00f6gliche Probleme der Freimaurerei mit der katholischen Kirche und das Verh\u00e4ltnis zwischen nicht-katholischen Auspr\u00e4gungen des Christentums und der Freimaurerei nicht Thema des Buches. Es ging mir allein darum, die Haltung der katholischen Kirche zur Freimaurerei zu erfassen.
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\nWie bist Du darauf gekommen dieses Buch zu schreiben?<\/p>\n

Ich hatte w\u00e4hrend des Studiums das Gef\u00fchl, dass es zu diesem Thema viele Klischees gab, und zwar sowohl auf der freimaurerischen, als auch auf der kirchlichen Seite: Einerseits das Klischee, dass die katholische Kirche prinzipiell gegen die Freimaurerei sei und andererseits das Klischee, dass die Freimaurerei und die katholische Kirche sich l\u00e4ngst restlos miteinander vers\u00f6hnt h\u00e4tten und es keinerlei Probleme mehr g\u00e4be. Ich wollte da tats\u00e4chlich auf Spurensuche gehen. <\/em><\/p>\n

Das Buch d\u00fcrfte f\u00fcr Betroffene interessant sein, also diejenigen Katholiken, die Freimaurer sind, bzw. diejenigen Freimaurer, die Katholiken sind, und sich in Bezug auf ihre kirchenrechtliche Situation etwas unsicher sind. Es d\u00fcrfte auch f\u00fcr jene lesenswert sein, die sich bei diesem Thema bislang auf einfache Antworten verlassen haben: Die gibt es n\u00e4mlich bei diesem Thema nicht. Gerade das macht es auch so spannend. Das Buch bezieht sich auch konkret auf die deutsche Situation und d\u00fcrfte daher f\u00fcr deutsche Leser noch etwas interessanter sein. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte 1980 ein Dokument verfasst, das die Unvereinbarkeit der Zugeh\u00f6rigkeit zur Freimaurerei und der katholischen Kirche feststellte und sich dabei vor allem auf die deutschen Auspr\u00e4gungen der Freimaurerei bezog. Dar\u00fcber hinaus verbinde ich mit diesem Buch aber auch die Hoffnung, dass diejenigen Katholiken, die bislang eine starke, negative bzw. kategorisch ablehnende Haltung gegen\u00fcber der Freimaurerei haben, ihre Position gegebenenfalls hinterfragen. <\/em><\/p>\n

Was ist \u2013 kurz skizziert \u2013 kirchenrechtlich gesehen der aktuelle Stand?<\/p>\n

Wie gesagt: Es gibt hier keine einfachen Antworten. Das mag entt\u00e4uschend klingen, schafft aber Raum f\u00fcr Diskussionen. Als knappes Fazit k\u00f6nnte man vielleicht folgendes festhalten: In Bezug auf die Deutsche Situation hat die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Unvereinbarkeitserkl\u00e4rung aus dem Jahr 1980 wenig stichhaltig argumentiert. Alle in dem Schreiben vorgebrachten Argumente gegen die Vereinbarkeit von Freimaurerei und Kirchenzugeh\u00f6rigkeit sind sachlich anfechtbar. Was die kirchenrechtliche Lage selbst betrifft: Meines Erachtens ist es so, dass die Zugeh\u00f6rigkeit zu einer freimaurerischen Vereinigung per se nicht strafbar ist. Gleichwohl ist allerdings die sog. H\u00e4resie, also eine von der Glaubenslehre der Kirche in entscheidenden Punkten abweichende Haltung f\u00fcr Katholiken strafbar. Aus meiner Sicht ist die Lehrart der humanit\u00e4ren Gro\u00dfloge AFAM hier kein Problem, weil sie sich zu solchen Glaubensfragen in keiner Weise \u00e4u\u00dfert.
\nAnders k\u00f6nnte – ich sage bewusst k\u00f6nnte – der Sachverhalt etwa im Hinblick auf den Freimaurerorden (FO) liegen, der sich explizit als christliche Lehrart bezeichnet und sich auf Jesus Christus bezieht. Hier k\u00f6nnte man zu der Auffassung kommen, dass der FO m\u00f6glicherweise eine von der Lehre der Kirche abweichende Position zu Jesus Christus hat. Wenn der FO sich etwa auf die \u201ereine Lehre Jesu Christi\u201c bezieht, \u201ewie sie sich in der heiligen Schrift findet\u201c, dann stellt sich hier schlichtweg die Frage, was damit gemeint ist. Selbst wenn der FO das selbst offen lie\u00dfe, k\u00f6nnte auch dann ein Problem bestehen: Denn aus der Sicht der katholischen Kirche ist die \u201ereine Lehre Jesu Christi\u201c unverf\u00fcgbar, also nichts, worunter der Einzelne verstehen kann, was auch immer er will. Eventuell w\u00e4ren so die Mitgliedschaft im FO und die Zugeh\u00f6rigkeit zur katholischen Kirche aus kirchenrechtlicher Sicht nicht vereinbar. Ein betroffener Katholik z\u00f6ge sich automatisch die Exkommunikation zu. Gleichwohl ist diese Frage mitnichten abschlie\u00dfend gekl\u00e4rt – diesen Eindruck will ich auch nicht erwecken. Mein Fokus liegt auf der Gro\u00dfloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFAM). In Bezug auf den FO \u00e4u\u00dfere ich nur eine M\u00f6glichkeit. Es ist dabei auch wichtig zu verstehen, dass dahinter keine moralische Wertung steht, oder anders formuliert: Nur weil etwas m\u00f6glicherweise mit der Lehre der katholischen Kirche nicht vereinbar ist, hei\u00dft das ja noch lange nicht, dass es sich dabei um etwas Schlechtes handelt. Ich sehe nur grunds\u00e4tzlich die M\u00f6glichkeit, dass es zu einem Konflikt um Deutungshoheiten kommen kann, wenn Begriffe wie \u201eLehre Jesu Christi\u201c und \u201eheilige Schrift\u201c in dieser Kombination im Spiel sind. Der Punkt ist: Auch in diesem Fall ist nicht die Zugeh\u00f6rigkeit zur Freimaurerei kirchenstrafrechtlich relevant, sondern das Vertreten einer H\u00e4resie. Ich pl\u00e4diere daher daf\u00fcr, dass die katholische Kirche sich des Themas erneut annimmt, dabei aber die verschiedenen Str\u00f6mungen der Freimaurerei klar auseinanderh\u00e4lt, und z.B. gro\u00dflogenbezogene Urteile formuliert und nicht kategorisch und undifferenziert \u00fcber die ganze Freimaurerei urteilt. <\/em><\/p>\n

Meines Wissens hat die Freimaurerei ihrerseits kein Problem mit der katholischen Kirche. Das mag bei einzelnen Mitgliedern vielleicht anders sein. Aber auf der institutionellen Ebene \u00fcbt die Freimaurerei weitgehend weltanschauliche Zur\u00fcckhaltung, so dass ich von der freimaurerischen Seite, zumindest was die Gro\u00dfloge AFAM betrifft, keinerlei Probleme sehe. <\/em><\/p>\n

Worauf beruht aus Deiner Sicht die offizielle Haltung der katholischen Kirche zur Freimaurerei?<\/p>\n

Das Problem ist ja, dass es „die“ offizielle Haltung nicht gibt. Es gibt einerseits moralische Appelle gegen die Freimaurerei, andererseits ist der Sachverhalt kirchenrechtlich erheblich komplexer. Grunds\u00e4tzlich kann man, gerade auch in Bezug auf die Stellungnahme der DBK sagen, dass die ablehnende Haltung zu einem Gro\u00dfteil auf Missverst\u00e4ndnissen und Vorurteilen beruht. Damit sollten sich weder die Kirche noch die Freimaurerei zufrieden geben. <\/em><\/p>\n

Kannst Du Beispiele f\u00fcr diese Missverst\u00e4ndnisse und Vorurteile nennen?<\/p>\n

In ihrer Unvereinbarkeitserkl\u00e4rung hatte die DBK unter anderem argumentiert, die freimaurerische Toleranz leite sich aus dem relativistischen Wahrheitsbegriff der Freimauerei ab. Dieser sei, so das Schreiben der DBK, unvereinbar mit der Lehre der Kirche. Was man damals offenbar nicht sah: Die Freimaurerei hat keinen speziellen, eigenen Wahrheitsbegriff. Ihre Toleranz leitet sich nicht aus einem relativistischen Verst\u00e4ndnis von Wahrheit ab, sondern aus dem Bed\u00fcrfnis, einen offenen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen Personen mit verschiedenen Ansichten, Religionen, philosophischen Auffassungen, und insbesondere auch ihren jeweils eigenen Fragen einander respektvoll begegnen k\u00f6nnen.
\nEin weiteres Missverst\u00e4ndnis besteht z.B. in Bezug auf den Begriff \u201eDogma\u201c. Die DBK hatte mit Bezug auf einen Artikel im Freimaurerlexikon von Lennhoff und Posner zum Begriff \u201eDogma\u201c argumentiert, dass die Freimaurerei die M\u00f6glichkeit objektiver Wahrheitserkenntnis prinzipiell verneine. Man \u00fcbersah allerdings, dass a.) Lennhoff und Posner \u00fcberhaupt nicht beanspruchen, f\u00fcr die Freimaurerei als Ganze zu sprechen, und b.) dass die Freimaurerei nicht antidogmatisch, sondern nur adogmatisch ist. Die Freimaurerei, wie sie sich in Deutschland in der Gro\u00dfloge AFAM mehrheitlich manifestiert, lehnt den Verbindlichkeitsanspruch kirchlicher Lehren nicht ab. Sie verzichtet nur darauf, selbst eine vergleichbare Verbindlichkeit f\u00fcr sich zu beanspruchen.
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Sagen wir so: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass etwas Klarheit zugunsten eines besseren Verh\u00e4ltnisses entstehen k\u00f6nnte. Daf\u00fcr braucht es aber Impulse, idealerweise von beiden Seiten.
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\nWas r\u00e4tst du Personen, die zwischen der Freimaurerei als Weltanschauung und der kirchenrechtlichen Sicht ihres katholischen Glaubens hin und her gerissen sind?<\/p>\n

Ich rate ihnen dazu, sich nicht auf einfache Antworten zu verlassen. Ebenso wenig, wie es wahr ist, dass beides kategorisch unvereinbar ist, ist es ebenfalls nicht wahr, dass beides ausnahmslos vereinbar ist. Letztlich stehen Betroffene vor dem Gerichtshof ihres eigenen Gewissens. Im Grunde funktioniert das kirchliche Tatstrafensystem (also jenes System, nach dem bereits mit dem Begehen einer bestimmten Tat automatisch bestimmte Strafen eintreten) auch so: Dem Gl\u00e4ubigen wird zugemutet, dass er Kl\u00e4ger, Richter und Vollstrecker zugleich sein muss. Er selbst muss pr\u00fcfen, ob er z.B. der H\u00e4resie schuldig geworden ist, und sich so die Exkommunikation zugezogen hat. Aber erst, wenn ein solcher Fall auch \u00f6ffentlich bekannt w\u00fcrde, m\u00fcssten die kirchliche Autorit\u00e4ten den Eintritt der sog. Tatstrafe, also jener mit Begehen der Tat von selbst eingetretenen Strafe, feststellen. Indem die katholische Kirche Tatstrafen verh\u00e4ngt, setzt sie ja gro\u00dfes Vertrauen in die Leistungsf\u00e4higkeit des Gewissens. Es ist zu \u00fcberlegen, ob auch aus kirchlicher Sicht diesem Gewissen zuzutrauen w\u00e4re, beurteilen zu k\u00f6nnen, ob Ausrichtung und Ritual der jeweiligen Loge, der ein katholischer Freimaurer angeh\u00f6rt, tats\u00e4chlich dem katholischen Glauben widersprechen. Die katholische Kirche kann ja durchaus Hilfe bei diesen Prozessen anbieten: Aber das setzt voraus, dass ihr Standpunkt klar und sachlich fundiert ist. Anders als auf dem Weg des Gewissens kann diese Entscheidung von Betroffenen m.E. gar nicht getroffen werden.<\/em><\/p>\n

\u00bbFreimaurerei und katholische Kirche: Geschichte und kirchenrechtliche Einordnung eines 300-j\u00e4hrigen Streits\u00ab ist im Salier Verlag erschienen und im \u00f6rtlichen Buch-, sowie im Versandhandel erh\u00e4ltlich<\/a>.<\/p>\n