Für unsere US-Urlaubsrundreise hatte mir eine Freundin und Schwester als Lektüre Bill Brysons bissiges Buch »Streiflichter aus Amerika« empfohlen. Wäre vermutlich auch genau mein Humor gewesen. Trotzdem hatte ich mich letztlich noch dagegen entschieden. Ich fand, als Freimaurer sollte man nicht noch mehr Vorurteile im Gepäck haben, als man ohnehin vielleicht schon mit sich rumschleppt.
Manche Klischees ließen sich vor Ort natürlich bestätigen:
»Continental Breakfast« klingt zwar verlockend. Aber dort, wo wir abgestiegen sind, versteht man darunter offenbar Kaffee, Donuts und mancherorts etwas, das zu allem Überfluss auch noch wie eine bunte Mini-Ausgabe von Donuts aussieht, auch wenn’s dem Namen nach gesund klingt: Fruit Loops. Wer die quietschbunten Kringelchen mal gegessen hat, weiß, wie viel Humor die Marketing-Leute bei Kellogs haben müssen. Fruit. Haha. Die Jungs sind wirklich großartig. Nach fünf Tagen »Continental Breakfast« hat es uns jedenfalls nicht mehr gewundert, dass es in den größeren Supermärkten inzwischen elektrisch motorisierte Einkaufswagen mit Sitz und Steuer gibt. Und ich muss wohl nicht erwähnen, dass damit immer ausgerechnet die Kunden durch die Gänge fahren, die Bewegung eigentlich am dringendsten nötig hätten.
Auch in puncto Umweltbewusstsein scheint es mir in den USA gegenüber Deutschland tatsächlich noch Aufholbedarf zu geben. Wir haben zwar in Hotels übernachtet, die einen zum Wassersparen ermuntern, Frühstück aber konsequent mit Einweggeschirr anbieten. Warum auch spülen? Der 24-teilige Hartplastik-Bestecksatz kostet bei Walmart 97 Cent. Und wir haben in Zimmern gewohnt, die per Klimaanlage auf arktische Temperaturen runtergekühlt wurden, um dann im Gegenzug die Klobrille auf ca. 40 Grad zu heizen. Kurios. Genau wie Straßenschilder a la »Staatsgefängnis – bitte keine Anhalter mitnehmen« oder Menschen, die mit ihrem XXL-Gasgrill auf der Pickup-Ladefläche in den Kurzurlaub fahren. ;)
Erschreckend war, dass es in den größeren Städten so viele Obdachlose gibt – und das ich mich auch noch selbst dabei ertappt habe, wie ich reflexartig mit Ablehnung reagiere, wenn ich angebettelt werde.
Irgendjemand hat Freimaurerei mal als »moralisches Selbsterziehungssystem« bezeichnet – und Selbsterkenntnis, die ja auch in der Freimaurerei eine zentrale Rolle spielt, ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. Tatsächlich habe ich mich nach meiner ablehnenden Reaktion gefragt: Was tust du da eigentlich? Ist nicht eine der freimaurerischen Meistertugenden die Barmherzigkeit? Seitdem habe ich wenigstens darauf geachtet, immer etwas Kleingeld griffbereit zu haben.
Für ›brüderlichen Kontakt‹ war die Rundreisezeit leider zu knapp bemessen, aber ich hatte mir vorgenommen zumindest auch ein paar Logenhäuser zu fotografieren. Eines davon: Der ehemalige »Hollywood Masonic Temple« in Los Angeles direkt am »Walk of fame«:
Eine Inschrift spannt sich quer über die Fassade: »Freemasonry builds its temples among the nations and in the hearts of men«. In etwa: Freimaurerei baut ihre Tempel zwischen den Völkern und in den Herzen der Menschen.
Eine weitere Inschrift findet sich etwas versteckter über dem Portal: »Tis the mystic tie that maketh all men brethren« – dies ist das mystische Band, dass alle Menschen zu Brüdern macht.
Freimaurer-Werbung in bester Touristen-Lage sozusagen. Und wie fürs Foto bestellt, kratzte auf der anderen Straßenseite gerade auch noch eine Art moderner Steinmetz Namen in Sandsteine als Souvenirs.
Besichtigen wollte ich eigentlich auch noch das imposante »Nob Hill Masonic Center« in San Francisco. Die Türen standen offen, also bin ich reingegangen, habe aber feststellen müssen, dass drinnen gerade umgebaut wird.
Stattdessen habe ich mir dann ausführlicher die gegenüber gelegene »Grace Cathedral« angeschaut, die u. a. deshalb sehenswert, weil ungewöhnlich ist: An den Wänden werden beispielsweise u. a. Bruder Winston Churchill, die Vereinten Nationen und Bauarbeiter gewürdigt.
Und zum Ende unseres San Francisco Aufenthalts habe ich dann auch noch den Ort digital festgehalten, an dem die ersten Freimaurer San Franciscos ihren Sitz hatten – das Gebäude Nr. 25 an der »Van Ness Avenue«:
Generell kann man sagen, dass die Freimaurerei in den USA immer noch sehr präsent ist und Logen weit verbreitet sind. Bestes Beispiel: Unsere letzte Etappe – Mammoth Lakes nach Las Vegas. Wir hatten vorher fast dreitausend Kilometer hinter uns gebracht und uns schon daran gewöhnt, selbst in der Einöde immer etwa alle 50 Meilen eine Tankstelle zu finden – und falls nicht, zumindest an der letzten Tankstelle im näheren Umkreis darauf hingewiesen zu werden, dass die nächste Zapfsäule etwas weiter entfernt sein wird. Ausnahme: Ausgerechnet die Strecke zum Rückflughafen, die wir mit einem halbvollen Tank begonnen haben.
Nach fast zweieinhalb Stunden Fahrt hatten wir dann nur noch wenige Liter im Tank – und in der Prärie Nevadas immer noch weit und breit keine Tankstellen oder Häuser in Sicht. Bei mehr als 40 Grad und mit nur noch einer halben Flasche Wasser als Proviant wurden wir langsam nervös. Nicht nur unser Auto war durstig. Blick auf die Karte: Entweder weiter auf der geplanten Route Richtung Vegas, zu einem etwa 60 Meilen entfernten Städtchen namens Beatty oder die geplante Route verlassen, um nur rund 30 Meilen in Richtung eines Ortes namens Goldfield zu fahren.
Wikipedia schreibt über Goldfield folgendes:
»Die Stadt wird heute manchmal als Geisterstadt angesehen, obwohl dort noch ca. 440 Bewohner leben.«
Leider konnten wir Wikipedia an diesem Tag nicht konsultieren.
So bleibt mir jetzt also nur, die Angaben hiermit bestätigen zu können: Es ist wirklich schön hier. Nur etwas einsam. Falls uns also mal jemand besuchen kommen möchte, hier die Koordinaten: 37° 43′ N, 117° 14′ W. Und falls uns jemand was mitbringen möchte: Benzin wäre nicht schlecht! ;)
Spaß beiseite: Goldfield ist wirklich sehenswert. Es gibt u. a. eine alte Dampflok. Und ein paar verlassene Wildwest-Hütten, die neben Autos mit Holzspeichenrädern vor sich hinmodern. Nur eben keine Tankstelle.
Aber dafür – wir trauten unseren Augen kaum und damit komme ich jetzt auch auf das immer noch gut ausgebaute Logennetz in den USA zurück – gibt es selbst in diesem Nest: Eine Freimaurer Loge (die »Montezuma Lodge No. 30«).
Und eine Menge hilfsbereiter Menschen. ;)
Um’s damit abzukürzen:
Wir sind jetzt also wieder zu Hause.
Um viele Erfahrungen reicher.
Aber auch ärmer –
an Vorurteilen:
Die Amerikaner, denen wir begegnen durften, zählen tatsächlich zu den aufgeschlossensten, herzlichsten und hilfsbereitesten Menschen, die wir bisher kennen gelernt haben.
Zum Glück nicht nur in Goldfield.
Denn sonst wären wir auch dort wahrscheinlich nie angekommen.
Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte. ;)
P. S.: Mehr Fotos, u. a. vom Nob Hill Masonic Center in San Francisco, werde ich in den nächsten Tagen nach und nach hier bei Instagram veröffentlichen (lassen sich auch ohne Instagram-Account ansehen). Und Bruder Rene Schon hat in seinem Blog kürzlich einige sehenswerte Bilder vom bzw. aus dem Logenhaus in New York gepostet.