Zentrales Element der Freimaurerei ist im dritten Grad die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Sich daran zu erinnern, dass das Leben nunmal endlich ist, man aber nie genau weiß, wann es endet, kann zu einem bewussteren Leben führen. Zahlreiche Symbole der Freimaurerei erinnern daran – vom 24-zölligen Maßstab bis zum Totenkopf.
Ein älterer Bruder hat mal passenderweise zu mir gesagt:
»Freimaurerei ist Lieben, Leben und Sterben lernen. Erst arbeitest du am rauen Stein [womit die eigene Persönlichkeit mit Macken, Ecken und Kanten sowie die Selbsterkenntnis im ersten Grad gemeint ist], dann am Meilenstein [womit er die Aufforderung des zweiten Grades meinte, um sich zu schauen und viel zu reisen] und dann am eigenen Grabstein [womit er die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit im Meistergrad meinte].«
Eine evangelische Gemeinde aus Bayern scheint nun fast diesem handwerklichen Ansatz der Freimaurerei bei der vorgezogenen Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit zu folgen. Zwar nicht mit Workshops für die Arbeit am eigenen Grabstein. Aber: mit Do-it-yourself-Sargbau-Seminaren! Um dem Tod den Schrecken zu nehmen. Für viele sei das eigene Ableben nämlich noch nicht eingeplant, heißt es in dem Sat.1-Beitrag.
»Männer zeigen keine Trauer und ein Indianer kennt keinen Schmerz. Das sind so die Sprüche, mit denen Jungs aufwachsen. Und darum tun sich Männer auch besonders schwer, sich über Krankheiten, über Einschränkungen oder eben auch das eigene Lebensende zu unterhalten.«
So begründet der Pfarrer das ungewöhnliche Angebot seiner Gemeinde. Und ein Teilnehmer, der sich demnächst einer schweren Operation unterziehen muss, bestätigt:
»Wenn ich mich vorher schon damit beschäftige, trifft’s mich nicht aus dem Vollen.«