Albert Schweitzer war mir ja bislang ehrlich gestanden nur vage als weißhaariger Wohltäter, Friedensnobelpreisträger und Urheber eines oft bemühten Zitates über den Freimaurerorden ein Begriff:
»Ich habe mich viel mit der Geschichte des Freimaurerordens beschäftigt und die Bedeutung für das Entstehen der europäischen Kultur gewürdigt. Ich bin überzeugt, dass er in der Aufrechterhaltung derselben etwas zu bedeuten hat, weil er das freisinnige und ethische Miteinander vertritt, das, was Kultur ausmacht.«
Warum genau er aber so viel für die Freimaurerei übrig hatte, ohne je selbst Logenmitglied geworden zu sein, ist mir eigentlich erst jetzt durch ein SWR2-Feature klar geworden:
Schweitzer war demnach u. a. der (zutiefst freimaurerischen) Überzeugung, man könne die Welt nur verändern, in dem man sich selbst verändert (weshalb er auch nach zwei Doktortiteln und trotz vielversprechender Karriereaussichten zusätzlich ein Medizinstudium begann, um später als Arzt Not und Elend in Afrika lindern zu können).
Er glaubte, dass Herz und Verstand im Gleichgewicht sein müssten und suchte – obwohl praktizierender Christ – nach einer allgemeingültigen, grenzüberschreitenden und religionsübergreifenden Ethik, die er für sich später als »Ehrfurcht vor dem Leben« auf den Punkt brachte.
Als er 1952 anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises gefragt wurde, zu welcher Nationalität er sich als Elsässer zählen würde – deutsch oder französisch – antwortete er mit einem Satz, den er fast Mozarts Freimaurer-Oper »Die Zauberflöte« entnommen haben könnte (»Ich bin einfach ein Mensch«). Und obwohl Schweitzer im Laufe seines Lebens Zeuge unvorstellbarer Unmenschlichkeiten geworden war, glaubte er bis zum Schluss an die schöpferische Kraft der Liebe als größte Macht von allen:
»In dieser Zeit, in der Gewalttätigkeit sich hinter der Lüge verbirgt und so unheimlich wie noch nie die Welt beherrscht, bleibe ich dennoch davon überzeugt, dass Wahrheit, Friedfertigkeit und Liebe, Sanfmut und Güte die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist. Ihnen wird die Welt gehören, wenn nur genug Menschen die Gedanken der Liebe und der Wahrheit, der Sanftmut und Friedfertigkeit, rein und stetig genug denken und leben.«