Für Verschwörungstheoretiker stehen vermeintliche Geheimniskrämer wie ›die Freimaurer‹ und die »National Security Agency« (kurz: »NSA«) sicherlich auf derselben dunklen Seite. U. a. als vermeintlicher Beweis gern bemüht: FBI-Wegbereiter Edgar J. Hoover war Mitglied einer Loge.
Dass aber bei genauerem Hinsehen Freimaurer traditionell eher Gegner von Total-Überwachung sein und für den Schutz der Privatsphäre (ein)stehen dürften, habe ich aus meiner Sicht schon in einem Text zum freimaurerischen ›Geheimnis‹ erläutert:
Logen waren seinerzeit für viele Geistesgrößen u. a. deshalb so attraktiv, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes Freiräume waren. Freiräume, in denen man – durch brüderliche Verschwiegenheit vor Obrigkeit und Überwachung geschützt – offen auch über unbequeme Wahrheiten sprechen konnte. So wurden Logen zu Keimzellen der Aufklärung und vieler Freiheitskämpfe(r). Und zum Feindbild fast aller totalitären Regime.
Diese ungewöhnlichen Freiräume entdecken wieder mehr und mehr Menschen für sich. Und inzwischen scheint es mir auch, als würden einige Freimaurer (glühende) Freiheitsliebe nicht nur im Namen, sondern auch wieder tief im Herzen tragen. Das zeigen mir jedenfalls im Zuge der Diskussionen um den NSA-Überwachungsskandal u. a. zwei Brüder ganz unterschiedlichen Alters und ganz unterschiedlicher Herkunft:
Einer, ein Rechtsanwalt kurz vor dem Unruhestand, dachte unlängst darüber nach, symbolisch Anzeige gegen den NSA-Chef zu erstatten. Ein jüngerer Bruder (31) hat sogar schon gehandelt und die US-Botschaft in Berlin öffentlichkeitswirksam mit Licht gebrandmarkt.
Davon kann man nun halten, was man will: Der an die Botschafts-Fassade projizierte Slogan von Edward Snowden (»United Stasi of America« statt »United States of America«) ist natürlich eine Zuspitzung. Ob »Kim Dotcom« (für die einen ein »Internet-Betrüger«, für andere als Hacker die moderne Version eines Helden) die richtige Symbolfigur fürs Foto war, mag auch fraglich sein. Und sicherlich will diese auffällige Aktion eines einzelnen Bruders auch nicht so richtig zum hier und heute eher zurückhaltenden Image und eigentlich unpolitischen Wesen der Freimaurerei als solcher passen.
Es wird also verständlicherweise entsprechend kontrovers in einigen Logen diskutiert werden. Und ich bin mir nicht mal sicher, ob der Bruder selbst unbedingt glücklich darüber ist, im Zusammenhang mit seiner privaten Aktion von der Presse ausgerechnet als Freimaurer genannt worden zu sein. Die Freimaurerei als Institution hat mit der Sache nämlich herzlich wenig zu tun. Aber eines weiß ich:
Ob Aktion oder Diskussion und ganz egal auf welcher Seite – thematisch stehen alle Brüder in bester freimaurerischer Tradition. Das komplexe Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit hat nämlich zeitlebens nicht nur u. a. Freimaurer à la Edgar J. Hoover auf der einen, sondern auch einen der profiliertesten US-Freimaurer und -Gründerväter auf der anderen Seite beschäftigt. Dessen dazugehöriger Aphorismus wird sogar im Zusammenhang mit dem NSA-Abhörskandal derzeit oft bemüht – Kurzform:
»Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.«
War sich Bruder Benjamin Franklin etwa bewusst darüber, dass die Regierung, an die man heute vielleicht gerne einige seiner Freiheiten für etwas mehr Sicherheit abgibt, nicht unbedingt die Regierung sein muss, derer man sich auch morgen noch sicher sein kann – oder vor der man morgen vielleicht lieber wieder sicher wäre? Zu spät, ist dann womöglich zu spät.
Fragen wir uns also ruhig: Wie viel Freiheit sind wir eigentlich bereit, für etwas mehr Sicherheit auf- und abzugeben? Reden wir drüber? Oder behalten wir die Antworten vielleicht doch besser schon für uns? Inzwischen ist’s ja im Grunde amtlich:
Big brother is watching us.
_____
Nichts mehr verpassen? Blog-Update-Infomails abonnieren: