Viele Vorkämpfer und Vordenker moderner Nationalstaaten waren Freimaurer: In Südamerika wird u. a. Simon Bolivar als Nationalheld verehrt und auch bei der Entstehung der USA spielten Brüder bedeutende Rollen. Ähnlich in Europa: Ohne Garibaldi gäbe es kein Italien, hierzulande haben Dichter wie Goethe und Heine wahrscheinlich erst so etwas wie ein »deutsches Bewusstsein« geprägt, und nicht nur in Deutschland und Österreich stammen die Nationalhymnen von Freimauern oder wurden von diesen inspiriert.
In unseren Logen wird dementsprechend bei Festessen auch heute noch traditionell die Nationalhymne gesungen und ein Trinkspruch aufs »Vaterland« ausgebracht – ein Begriff, der durch die deutsche Geschichte leider nicht ganz unvorbelastet ist. Im Oktober-Maurerwort habe ich mich daher aus Sicht eines jüngeren Bruders mit »Bauchschmerzen beim Trinken aufs Vaterland« befasst. Im »Maurerwort-Interview – drei Fragen, drei Antworten« möchte ich nun dagegen einen älteren Bruder zu Wort kommen lassen, der abseits der unpolitischen Loge politisch eher zum Rechtskonservativen neigt:
Wolfgang Pohlmann, Jahrgang 1940, ist seit 30 Jahren Mitglied einer Wuppertaler Freimaurer-Loge mit Brüdern unterschiedlicher Hautfarben, Nationen, Weltanschauungen und Glaubensbekenntnissen sowie seit 1994 Mitglied der rechtskonservativen Partei »Die Republikaner« für die er seit 2004 auch im Stadtrat sitzt.
Mich hat interessiert, wie aus seiner Sicht die weltoffen-unpolitische Freimaurerei und parteipolitisches Engagement auf rechtskonservativer Seite zusammenpassen. Immerhin wird beides von vielen Menschen heutzutage als widersprüchlich empfunden – einerseits ein Ergebnis der Verleumdungen der Freimaurerei u. a. im ersten und zweiten Weltkrieg, andererseits eine Folge des Missbrauchs von Begriffen wie »Vaterland« oder »Nation«.
Wolfgang, was ist für Dich Heimat, was »Vaterland«?
Heimat ist der Ort der Verwurzelung. Heimat ist Wärme, die aus allen denkbaren Eigentümlichkeiten und Erinnerungen gespeist wird. Das gilt natürlich für Menschen, die ihre Heimat nie verlassen haben, aber auch für Auswanderer. Wer in der Fremde eine neue Heimat gefunden hat, kann sich glücklich schätzen und kennt bspw. nicht den Kummer des Schlesiers, der an seine verlorene Heimat denkt. Heimat gibt dem Menschen unendlich viel.
Vaterland ist das Betätigungsfeld eines jeden Patrioten. Er wirkt darauf hin, dass es dem Vaterland im weitesten Sinne immer besser gehe, dass die Menschen „Einigkeit und Recht und Freiheit“ als „des Glückes Unterpfand“ anerkennen und hochhalten und sich bewusst machen, dass das Wohlergehen anderer Länder eine der Voraussetzungen für das Wohlergehen des eigenen Landes ist.
Obwohl in Logen ja traditionell nicht über Parteipolitik gesprochen wird, aber trotzdem vaterländische Traditionen gepflegt werden, wird die eher unpolitisch-weltoffene Freimaurerei und nationalpolitisches Engagement von vielen Menschen beider Seiten heutzutage oft als Widerspruch empfunden – wie passt für Dich beides zusammen?
Ich sehe darin keinen Widerspruch. Die ethischen Prinzipien der Freimaurerei sind überall gültig und müssen natürlich auch auf ein national orientiertes politisches Engagement angewendet werden. Ja, die freimaurerischen Grundpflichten fordern sogar – zusammengefasst in einem Satz – »die Erfüllung der Pflichten gegenüber der Familie, der Gemeinde, dem Land und der Gemeinschaft aller Menschen«. Es kommt demnach auf die richtige Mischung an.
Was sagst Du Deinen Brüdern zu Deiner politischen Ausrichtung und Deinen Partei-Freunden zur Freimaurerei?
Als ich von einigen Tausend Wuppertaler Bürgern für meine Partei ins Stadtparlament gewählt worden war und damit auch meine politische Orientierung einem größeren Kreis von Freimaurern bekannter wurde, war das für manche Brüder, die mich nicht kannten, aufgrund vieler Vorbehalte schon eine schwere Toleranzprobe und für mich eine schwere Zeit.
Die Brüder meiner Loge, die mich seit 30 Jahren kennen, wussten es besser, denn niemals habe ich ‚Streitgespräche über Politik‘ – so wie in den Alten Pflichten niedergelegt – in die Loge getragen oder Anlass gegeben, an meiner freimaurerischen Gesinnung zu zweifeln. Seitdem sich die Brüder anderer Logen besser informiert und überzeugt haben, dass meine konservative Orientierung nicht im Gegensatz zu den freimaurerischen Prinzipen steht, wird mir gegenüber keine Kritik mehr laut.
Es ist parteibekannt, dass ich Freimaurer bin. Meine bürgerlich-rechtskonservativen Parteifreunde scheint das nicht zu stören, denn niemand hat mir das jemals vorgehalten. Ich würde diese Partei verlassen, wenn es anders wäre.
Danke für Deine Antworten!
_____
Dieses »Maurerwort-Interview« ist Teil (m)einer Reihe anlässlich des deutschen Nationalfeiertags, in der ich mich einerseits freimaurerisch-unpolitisch mit den Begriffen »Heimat« und »Vaterland« auseinandersetze, andererseits vorurteilsfrei einen Bruder zu Wort kommen lasse, der abseits der unpolitischen Loge politisch zum Rechtskonservativen neigt, und zudem auch noch weltoffen den Ideen von »Einigkeit und Recht und Freiheit« nachspüren werde. Infos über die kommenden Beiträge zur Serie und zu diesem Blog gibt’s automatisch frei Haus per Mail, wenn Ihr den Blog-Newsletter abonniert:
Nichts mehr verpassen? Blog-Update-Infomails abonnieren: